Die Story
Die Geschichte der einflussreichsten Bildungseinrichtung für Architektur, Kunst und Design des 20. Jahrhunderts
Die Chronologie
April 1919
Im April 1919 ruft Walter Gropius in seinem Manifest die Entstehung des Bauhaus in Weimar aus. Er begründet darin die Einheit von Handwerk und Kunst, die ohne eine gedankliche Mauer die „klassentrennende Anmaßung” zwischen den Gewerken überwindet. Der zu Grunde liegende Gedanke geht viel tiefer: Der Gestaltungskomplex soll weder Selbstzweck sein (also nicht dem individualistischen Künstler dienen), noch auf den Gegenstand als letzten Zweck zielen (also das Produkt in den Mittelpunkt heben). Er soll vielmehr den Menschen in das Zentrum der Betrachtung rücken.
Das Manifest auf der Website des Goethe-Instituts e. V.
Ende 1920 & Anfang 1921
Ende 1920 und Anfang 1921 werden Oskar Schlemmer und Paul Klee als Meister an das Staatliche Bauhaus in Weimar berufen, beides vielseitig talentierte Künstler, die die Hochschule nachhaltig beeinflussen. Schlemmer arbeitet als Bauhaus-Werkstattmeister und lehrt Akt- und Figurenzeichnen. Sein originellster Beitrag ist neben der Bühnenarbeit sein Unterricht „Der Mensch”. Klee gehört zum Kreis der Expressionisten, seine Interessen liegen persönlich auch im Gebiet der Schriftstellerei und Musik. Bis 1931 gibt Klee vor allem theoretischen Unterricht zur „Bildnerischen Gestaltungslehre”.
Das Bild „Geteilte Halbfigur nach rechts“ von Oskar Schlemmer wird im neuen Bauhaus Museum in Dessau seinen Platz finden. Dort kann man das Kunstwerk zusammen mit zahlreichen anderen Exponaten ab September 2019 besichtigen. Werke von Paul Klee finden sich in Sachsen-Anhalt natürlich auch, etwa im Kunstmuseum Moritzburg in Halle/Saale – mehr Informationen dazu auf „Hallo Moderne“.
Zuletzt möchten wir noch auf einen Vortrag hinweisen. Michiko Yamawaki verbrachte von 1930 bis 1932 einige Jahre am Bauhaus in Dessau. Sie studierte bei Josef Albers und Wassily Kandinsky, lernte von Otti Berger und Anni Albers in der Webwerkstatt. Der Vortrag „Michiko Yamawaki – Eine Japanerin am Bauhaus“ erzählt am 12. Mai in Halle ihre Geschichte.
1922
Als Wassily Kandinsky 1922 von Gropius an das Bauhaus berufen wurde, war sein Name in der Kunstwelt bereits weit bekannt und geschätzt. Dabei hatte der gebürtige Moskauer ursprünglich Rechtswissenschaften studiert und alles deutete auf eine erfolgreiche juristische Karriere hin. Ein Besuch des Bolschoi-Theaters änderte seine Wahrnehmung des Lebens so vollständig, dass er sich danach komplett der Kunst widmete. Als Mitbegründer der Gruppe des „Blauen Reiters“ und Wegbereiter der abstrakten Kunst schuf er Bildkompositionen, die ebenso kreativ wie revolutionär waren.
Seine Zeit als Meister am Bauhaus in Dessau war die wohl produktivste Phase seine Lebens. Er unterrichtete „Analytisches Zeichnen“ und „Abstrakte Formelemente“ und setzte 1927 gemeinsam mit Paul Klee die „Freie Malklasse“ durch. Wie sehr ihn Musik künstlerisch inspirierte zeigt Kandinskys erstes und einziges Theaterprojekt „Bilder einer Ausstellung“, das 1928 in Dessau uraufgeführt wurde. Als Vorlage dafür diente ihm der gleichnamige Klavierzyklus des russischen Komponisten Modest Mussorgski. Die Bühnenentwürfe für die Aufführung entwickelte Kandinsky in seinem Meisterhaus in Dessau. Zum 150. Geburtstag des Malers 2016 kehrten sie vorübergehend an den Ort ihrer Entstehung zurück. Insgesamt 11 Jahre lehrte und wirkte Kandinsky am Bauhaus. Er prägte die Hochschule für Gestaltung nachhaltig und blieb ihr bis zu ihrer Auflösung 1933 in Berlin innerlich verbunden.
Wer sich noch tiefer mit Wassily Kandinsky befassen möchte, dem empfehlen wir den Film „Ich sehe was, was du nicht siehst“, der sich auf die Spuren des Künstlers in München, Murnau, Dessau, Paris, Moskau und New York begibt.
Der Film ist auf YouTube zu finden.
1923
Im Jahr 1923 erklärte Walter Gropius einen Wandel der Hochschule für Gestaltung. Bei der Gründung stand das Bauhaus noch nicht im Zeichen der Industriekultur, für die es heute so bekannt ist. Vielmehr lief die Arbeit der Bauhäusler unter dem Motto „Kunst und Handwerk – eine neue Einheit.“ Dabei war Gropius keineswegs blind für die industriellen Entwicklungen der Zeit. Als Mitglied des Werkbundes wusste er um die schrumpfende Bedeutung des Handwerks in einer Industriegesellschaft. So war die Berufung auf das Handwerk im Gründungsjahr eine bewusste Entscheidung Gropius’. Sie war der Stimmung nach dem Ersten Weltkrieg geschuldet. Industrielle Planung und Technik hatten der Kriegsführung völlig neue, grausamere Dimensionen gegeben. Das Handwerk stand in diesem Kontext für die Besinnung auf althergebrachte Traditionen.
1923 nahm Gropius eine bewusste Änderung der alten Formel vor und löste sie durch eine neue, zukunftsweisende ab: „Kunst und Technik – eine neue Einheit.“ Er gab dem Bauhaus damit einen neuen gedanklichen Anstrich, dessen Hochphase in Dessau erlebbar wurde. Es ist gleichzeitig die Programmatik, die wir heute fest mit der Hochschule für Gestaltung verbinden. Bei einigen Altmeistern, wie Johannes Itten, stieß dies allerdings auf Ablehnung. Ein anschauliches Beispiel für die Neuausrichtung des Bauhauses und seine Öffnung für Auftragsarbeiten ist das Theaterhaus in Jena, welches von Walter Gropius umgebaut wurde. Als Gropius auch beabsichtigte, die Bestuhlung des Theaters als privaten Auftrag an die Tischlerei ans Bauhaus zu holen, führte dies zum finalen Bruch mit Johannes Itten. Er verließ die Hochschule für Gestaltung im Oktober 1922.
Zum Abschluss wieder ein Veranstaltungstipp: Mit dem Erbe des Bauhauses beschäftigen sich ab dem 25. Mai dreizehn internationale Künstler im Rahmen des Werkleitz-Festivals in Dessau. Unter dem Motto „Modell und Ruine“ können bis zum 10. Juni Kunstwerke betrachtet sowie Filmprogramme und Präsentationen besucht werden. Der Eintritt zu den Festveranstaltungen ist frei.
April 1923
1923 begann für das Staatliche Bauhaus in Weimar mit einer personellen Veränderung. Nach dem Ausscheiden von Johannes Itten holte Walter Gropius den jungen ungarischen Künstler László Moholy-Nagy als Meister an die Schule. Gropius übergab ihm die Leitung der Metallwerkstatt und die Materiallehre im Vorkurs. Anders als Kandinsky und Klee sah Moholy-Nagy zwischen industrieller Produktion und künstlerischer Ausbildung keinen Widerspruch. Ihn begeisterte Gropius’ Idee, Versuchs- und Modellwerkstätten für die Industrie einzurichten.
Die hatte auch finanzielle Gründe, denn die wirtschaftliche Situation des Bauhauses war angespannt. Um sein Fortbestehen zu sichern, waren zusätzliche Einnahmen nötig. Unter dem Einfluss von László Moholy-Nagy begannen die StudentInnen in der Metallwerkstatt damit, serielle Lampenmodelle für die Fabriken der Beleuchtungsindustrie herzustellen. Ein Zeugnis dieser Zeit ist die elegante Bauhaus-Leuchte von Wilhelm Wagenfeld mit kreisförmigem Fuß und dem Schirm in Form einer Halbkugel.
Moholy-Nagy war in mehrerlei Hinsicht ein Wegbereiter. Er war Künstler und interessierte sich gleichzeitig für alles Technische. Vor allem faszinierte ihn Licht. So experimentierte er mit sogenannte Fotogrammen, indem er Blumen, Federn und Papierschnipsel auf Fotopapier legte, das er dann entwickelte. Er experimentierte mit Metall, Glas und verschiedenen Kunststoffen als Bildträger, um neuartige Lichtwirkungen zu erreichen. Diese „kameralose Fotografie“ war ein eigenes Kunstmittel. Auf sein Betreiben hin wurde schließlich 1929 das Fach Fotografie in den Lehrplan der Hochschule für Gestaltung aufgenommen.
Auch im Bereich der akustischen Wahrnehmung begann Moholy-Nagy mit ungewöhnlichen Materialien zu experimentieren. Er bearbeitete Schallplatten mit Nadeln und Messern, um deren Klangspektrum zu erweitern. Beim Abspielen der angeritzten Platten auf dem Grammophon hörte man völlig neue, rhythmisierte Geräusche und Töne, die von einem Kratzen und Rauschen begleitet waren. So lässt sich auch das „Scratching“, heute vor allem aus der DJ-Szene des Rap und Hip Hop bekannt, in gewisser Weise auf diese ersten Experimente Moholy-Nagys zurückführen.
Moholy-Nagy verbrachte nur 5 Jahre am Bauhaus, war aber dennoch einer der prägendsten Meister der Hochschule. Nach seiner Auswanderung in die USA wurde er 1937 in Chicago Leiter des dortigen „New Bauhaus“ und führte die Ideen und Gedanken der Hochschule für Gestaltung fort.
Zum „New Bauhaus“ gibt es einige Informationen bei der Nachfolge-Einrichtung, dem Illinois Institute of Technology. Wer mehr über das Nachwirken des Bauhaus in den USA allgemein erfahren möchte, dem empfehlen wir diesen Artikel in der Welt.
August 1923
1923 findet in Weimar die erste große Bauhaus-Ausstellung statt. Gropius reagiert damit auf das Drängen der Landesregierung, denn diese fordert bereits seit langem einen Nachweis über die Tätigkeiten am Bauhaus. Die Hochschule beginnt im Februar mit den Vorbereitungen für ihre erste Ausstellung, die schließlich vom 15. August bis zum 30. September stattfindet.
Den Auftakt bildet die Bauhauswoche im August. Gropius eröffnet sie mit einem Vortrag über „Kunst und Technik - eine neue Einheit“ und führt damit offiziell die neue Ausrichtung der Hochschule ein. Fünf Tage lang zeigt sich das Bauhaus der Presse und dem interessierten Publikum in all seinen Facetten mit Vorträgen, Bühnenaufführungen und Konzerten. Die uraufgeführte Lichtprojektionskunst „Reflektorische Farbenlichtspiele“ von Bauhäusler Ludwig Hirschfeld-Mack bildet am 19. August den beeindruckenden Höhepunkt der Bauhauswoche und läutet gleichzeitig die folgende große Ausstellung am Bauhaus ein. Bis zum 30. September 1923 können Besucher Arbeiten aus den Bauhaus-Werkstätten und dem Unterricht besichtigen. Auch freie Kunstwerke der Meister werden ausgestellt.
Besondere Beachtung findet ein Versuchshaus, das eigens für die Ausstellung gebaut wird. Das Haus „Am Horn“ entsteht auf dem Hornberg in Weimar und basiert auf einem Entwurf von Georg Muche. Die Anordnung der Räume folgt dem Konzept des Wabenbaus, indem ein zentraler Wohnraum von angrenzenden kleineren Räumen flankiert wird. Dieser „Baukasten im Großen“, wie ihn Gropius nennt, soll den neuesten Stand der Bautechnologie veranschaulichen.
Er zeigt gleichzeitig die Kenntnisse und Fähigkeiten der Schüler und Lehrer. Die gesamte Innenausstattung, von der Bemalung der Wände über die Ausgestaltung der Möbel hin zu den gewebten Teppichen wurde in Gemeinschaftsarbeit von den Werkstätten des Bauhaus gefertigt. Das Haus „Am Horn” ist wegweisend für die Architektur des Bauhaus. Seit 1996 gehört es deshalb zusammen mit weiteren Stätten wie dem Bauhausgebäude und den Meisterhäusern in Dessau zum UNESCO-Weltkulturerbe.
Eines der bekanntesten Fotos aus der Geschichte des Bauhauses zeigt eine Reihe Bauhäusler vor der Kantine des Schulgebäudes in Dessau. Genau dieses Bild wurde Anfang Juni mit innovativen Köpfen aus Sachsen-Anhalt nachgestellt, darunter Unternehmer, Künstler und Wissenschaftler. Zur Aktion entstand auch ein Making-of-Video.
1924
Am 13. Juni 1924 erscheint ein Artikel in der „Weimarischen Zeitung”, der Eltern davor warnt, ihre Kinder am Staatlichen Bauhaus studieren zu lassen. Im Text ist die Rede von sich „nackt tummelnden Bauhausleuten beiderlei Geschlechts” und damit verbunden der Vorwurf eines Sittenverfalls an der Hochschule. In den folgenden Jahren nehmen die Anwürfe und Gerüchte der konservativen Presse zu. Vor allem Gropius steht im Mittelpunkt der Anschuldigungen. Ihm werden Nähe zum Bolschewismus, Geisteskrankheit und Perversion* vorgeworfen.
Auch das politische Klima wandelt sich. Die Wahlen zum Thüringer Landtag am 10. Februar 1924 gewinnt ein Zusammenschluss der konservativen, teils deutschnationalen Parteien, der „Thüringer Ordnungsbund”. Er bildet fortan eine Minderheitsregierung, toleriert durch die offen antidemokratische und rassistische „Vereinigte Völkische Liste“. Die neue Regierung stoppt die Reformen der früheren SPD-KPD-Regierung und tut alles, um das Bauhaus wirtschaftlich handlungsunfähig zu machen. Auch die Sozialdemokraten stellen – aus finanziellen Gründen – ihre Unterstützung ein. Gropius versucht mit Aufträgen aus der Industrie dagegenzusteuern, doch das Ende der Hochschule ist vorprogrammiert. Am 26. Dezember 1924 sehen sich Gropius und die Formmeister gezwungen, die Auflösung des Bauhauses in Weimar zum 1. April 1925 zu erklären und ihre Kündigungen einzureichen.
Für Gropius und den Meisterrat ist klar, dass der Standort Weimar keine Zukunft hat. Sie suchen einen neuen Wirkungsort. Das Bauhaus ist inzwischen so anerkannt, dass mehrere Städte Interesse bekunden, darunter auch Darmstadt, Köln, Frankfurt/Main, Magdeburg und Dessau. Als Dessaus Bürgermeister Fritz Hesse verspricht, ein neues Schulgebäude und Wohnhäuser für die Meister errichten zu lassen, ist die Entscheidung gefallen: Das Bauhaus siedelt zum 1. April 1925 nach Dessau um. Eine neue Ära für die Hochschule beginnt. Sie wird in Dessau die längste Zeit wirken und dort ihre Blüte erleben.
Gunta Stölzl ist 22, als sie sich als Studentin am Staatlichen Bauhaus in Weimar einschreibt. Fast acht Semester hat sie zu diesem Zeitpunkt bereits an der Kunstgewerbeschule in München studiert. Beeindruckt von Gropius und seinen Ideen entscheidet sie sich zum Wechsel nach Weimar. Sie konzentriert sich auf die Textilkunst und beginnt als Studentin in der Weberei. Dort herrscht aufgrund finanzieller Engpässe und unzureichender Anleitung Orientierungslosigkeit. Noch als Schülerin gibt Stölzl erste Lehrstunden. Sehr schnell erarbeitet sie sich die Sympathie der anderen Studierenden der Weberei.
Auch das Bauhaus ist – wie vieles in der damaligen Zeit – eine Männerdomäne. Obwohl gut ein Drittel aller Bauhäusler Studentinnen sind, bleibt ihnen der Zugang zu vielen Werkstätten verwehrt. Gropius hat Bedenken, Frauen in schweren Handwerksberufen arbeiten zu lassen. Auch ist ihm bewusst, dass eine Berufsausübung für die Bauhäuslerinnen nach dem Abschluss traditionsbedingt eher ungewiss ist. Um die wenigen Werkstattplätze für die männlichen Studenten zu reservieren, entscheiden sich die Formmeister 1920 eine Frauenklasse zu gründen. Die beschäftigt sich hauptsächlich mit der Textilkunst und verschmilzt, nachdem ihr viele Studentinnen beigetreten sind, vollständig mit der Weberei.
Für Gunta Stölzl ist die Frauenklasse eine Chance. Zum einen verspricht sie sich davon einen kreativen Schub für die Weberinnen, die ohne männliche Vorgaben freier arbeiten können. Zum anderen ergibt sich für sie erst dadurch die Möglichkeit einer leitenden Position am Bauhaus. Im Wintersemester 1925/26 bewirken Studentinnen mit Nachdruck, dass Stölzl offiziell die Leitung der Frauenklasse übernimmt. Im Juni 1927 wird ihr schließlich die Gesamtleitung der Weberei übertragen. Gunta Stölzl wird damit die einzige Frau in der Geschichte des Bauhauses, die die Rolle eines Formmeisters einnimmt. Es wird gleichzeitig die erfolgreichste und lukrativste Zeit der Weberei.
Gunta Stölzl war eine der bedeutendsten Frauen am Bauhaus. Sie blieb der Hochschule 12 Jahre lang verbunden, davon sechs als Studentin. Aufgrund politischer und persönlicher Anfeindungen verlässt sie jedoch 1931 das Bauhaus.
1925
Für Gropius ergibt sich mit dem Umzug der Hochschule nach Dessau die einmalige Chance, ein Schulgebäude nach seinen Vorstellungen zu entwerfen. Im März 1925 erhält er von der Stadt Dessau die Beauftragung für das neue Bauhaus-Gebäude und die Meisterhäuser. Vorerst ist aber Gropius’ Büro in der Mauerstraße die erste offizielle Adresse des Bauhaus in Dessau. Nach dem Baubeginn für das Schulgebäude im September 1925 dauert es nur etwas über ein Jahr bis zur feierlichen Einweihung.
In der Zwischenzeit leben und arbeiten die Bauhausmeister und -schüler in Dessau, damals eine blühende und moderne Industriestadt. Die Ateliers der Meister werden im heutigen Museum für Naturkunde und Vorgeschichte untergebracht. Eine Übergangslösung für die Werkstätten des Bauhaus findet sich in der Fabrik des Versandhandels Seiler. Eine nicht optimale Lösung, wie die Bauhäuslerin Marianne Brandt beschreibt: „Zuerst, als wir noch in der Seilerschen Fabrik untergebracht waren und noch keine Kantine hatten, ‚durften‘ wir für zehn Pfennige in der Suppenanstalt essen. Fürchterlich! [...] Im neuen Haus wurde alles viel besser. Es gab eine Kantine und richtige Mahlzeiten.“ (Bauhaus und Bauhäusler, Erinnerungen und Bekenntnisse, hrsg. von Eckhard Neumann, Bern 1971)
Währenddessen sucht Gropius die Nähe zur Industrie in Dessau. Er will die Schule finanziell stärken und unabhängig von staatlichen Zuwendungen machen. Für ihn besteht die Herausforderung darin, künstlerisch wertvolle Massenprodukte zu fertigen. Eine Aufgabe, die er in den Bauhaus-Werkstätten noch nicht vollständig umgesetzt sieht. Einzelne Stücke, wie etwa die Stahlrohrmöbel von Marcel Breuer, die er in Zusammenarbeit mit Junkers in Dessau entwirft, gehen aber schon in die richtige Richtung.
Am 21.01.1926 formuliert Gropius das Problem in einem Brief an die Bauhaus-Meister folgendermaßen: „das allgemeine ziel des bauhauses, [...] kommt in den einzelnen werkstätten noch ungenügend zum ausdruck. infolgedessen ist ihr gesicht noch immer ein kunstgewerbliches. die verbindung, die wir mit der industrie suchen wollen, muß systematisch … angebahnt werden…. auf lange sicht (bedarf es) eines sorgfältig ausgearbeiteten produktionsplanes.” (Aus: Klaus-Jürgen Winkler, Der Architekt Hannes Meyer. Berlin 1989).
März/Dezember 1926
Im September 1925 beginnt der Bau am neuen Schulgebäude in Dessau. Das Tempo ist beeindruckend: Bereits am 21. März 1926 wird das Richtfest gefeiert, die offizielle Einweihung findet am 4. Dezember 1926 statt. Ein großes Fest mit mehr als 1000 Gästen wird zur Einweihung veranstaltet. Mit Erfolg. Die Besucher und die Presse sind gleichermaßen begeistert: „Dieses Haus muss man gesehen haben“, konstatiert der Kunstkritiker Fritz Stahl etwa im Berliner Tageblatt vom 7. Dezember 1926.
Das liegt vor allem an der Einzigartigkeit des Gebäudes, an dessen Entwurf erst Carl Fieger und später Ernst Neufert mitgearbeitet haben. Maßgeblicher Architekt ist Walter Gropius selbst. Völlig neuartig ist die Trennung in drei flügelförmig angeordnete, funktional gegliederte Trakte. Im ersten Trakt ist die Kunstgewerbeschule der Stadt Dessau untergebracht. Im zweiten Trakt, dem sogenannten Prellerhaus, befinden sich die Ateliers der Studenten und Jungmeister, die auch als Wohnungen dienen. Der dritte Gebäudekomplex beherbergt den Werkstättentrakt, der straßenseitig komplett verglast ist. Die Glaswand ist nicht unumstritten: Im Sommer erwärmt sich die Front zu stark, im Winter muss deswegen zusätzlich geheizt werden. Für Gropius ist sie ein Symbol der Gemeinschaft am Bauhaus, deren Geist sich hier bündeln und „kristallisieren” soll.
Besonders beeindruckt zeigen sich die Besucher vom Prellerhaus, dem Ateliergebäude der Studenten und Jungmeister. Die Ateliers bestehen aus Einzelzimmern mit ungefähr 24 Quadratmetern. Sie sind hochmodern und komfortabel eingerichtet. Einige der Zimmer verfügen über kleine Balkons und werden schnell zu einem beliebten Treffpunkt der Bauhäusler und Bauhäuslerinnen. Gern trifft man sich hier zum Gespräch oder gemeinsamen Essen.
Das Schulgebäude ist nicht nur äußerlich ein Bild der Moderne. Auch in der Inneneinrichtung zeigt sich das Können der Meister und Studierenden. Die Einbauschränke in den Gebäuden stammen aus der Bauhaus-Tischlerei. Die Lampen aus der Metallwerkstatt sind hauptsächlich von Marianne Brandt entworfen. Möbelstoffe und Vorhänge in den Räumen entstanden in der Weberei unter Gunta Stölzl. Die Stahlrohrmöbel in den Ateliers wurden unter Marcel Breuer gefertigt.
1926
Bereits 1926 erhält das Baubüro Gropius den Auftrag der Stadt Dessau zum Bau der Siedlung Dessau-Törten. Die Stadt reagiert damit auf den Mangel an erschwinglichem Wohnraum. Offene und lichtdurchflutete Wohnungen sollen entstehen, die für eine große Bevölkerungsschicht bezahlbar sind.
1926 wird mit dem Bau der Siedlung Dessau-Törten begonnen. Insgesamt 314 Reihenhäuser entstehen bis zur Fertigstellung 1928, je nach Haustyp mit Wohnflächen von 57 und 75 Quadratmetern. Auf dem Grundstück jedes Reihenhauses befindet sich ein ungefähr 350 bis 400 Quadratmeter großer Nutzgarten, in dem zur Selbstversorgung Obst und Gemüse angebaut oder auch Kleintiere gehalten werden können. Die kistenähnlichen Häuser sind Außen und Innen hell gestrichen und in Gruppen von vier bis zwölf Einheiten zusammengefasst. Die Fassaden sind durch vertikale und horizontale Fensterbänder gegliedert.
Bemerkenswert ist die Bauweise der Siedlung. Ihre Errichtung ist ein verordnetes Experiment: Die Reichsforschungsgesellschaft für Wirtschaftlichkeit im Bau- und Wohnungswesen will herausfinden, wie rationale Wohnbauten erstellt werden.
Gleichzeitig sollen neue Baustoffe und Industrieprodukte getestete werden. Gropius und das Bauhaus richten eine industrielle Fertigungsstraße ein und produzieren die Hauseinheiten in Fließbandproduktion mit spezialisierten Arbeitsbrigaden.
Die Prämisse preiswertes Bauen hat ihre Folgen. Sie führt zu Bau- und Planungsmängeln, die nachträglich von den Hausbesitzern selbst korrigiert werden müssen. So sind beispielsweise die Fenster viel zu hoch angesetzt, so dass man von innen nur im Stehen hinausgucken kann. Die hohen Umbaukosten führen dazu, dass die Preise der Eigenheime zehn bis zwanzig Prozent höher sind als ursprünglich kalkuliert.
Wer sich bei einem digitalen Rundflug die Siedlung Dessau-Törten einmal selbst anschauen möchte, kann das mit der Daily Drone der Deutschen Welle (DW) tun.
Dezember 1926
Mit Eröffnung des neuen Schulgebäudes am 4. Dezember 1926 werden auch die Meisterhäuser der Öffentlichkeit vorgestellt. Es sind drei Doppelhäuser: das Haus Moholy-Nagy/Feininger, das Haus Muche/Schlemmer und das Haus Kandinsky/Klee. Gleichzeitig wird das Direktorenhaus präsentiert, bei dessen Entwurf und Inneneinrichtung Gropius tatkräftige Unterstützung seiner Frau Ise erhielt.
Rein äußerlich unterscheiden sich vor allem die drei Doppelhäuser kaum voneinander. Die baugleichen Häuser mit Flachdach haben eine kubische Form und große, einfarbig weiß gestrichene Flächen. Auffällig sind die geräumigen Terrassen und Balkone sowie die großen Atelier-Fenster, durch die ein Eindruck von Offenheit entsteht. Dieser wird im Inneren der Häuser durch die große Anzahl der Türen noch verstärkt: Aus beinahe jedem Raum gelangt man durch eine Tür nach draußen.
Die Inneneinrichtung ist ein Musterbeispiel für modernes Wohnen. Sie dient auch als Präsentation der Fähigkeiten der Bauhaus-Werkstätten. Vor allem Gropius sieht sein Haus als Ausstellungsobjekt und führt Besucher durch die Räume. Das Interesse ist groß, Gäste aus aller Welt möchten diesen „Baukasten im Großen“ besichtigen. Und es gibt viel zu sehen: begehbare Kleiderschränke, speziell gefertigte Einbauschränke, zusammenschiebbare Doppelsofas und modernste Hauswirtschaftstechnik. Die Direktorenvilla besitzt sogar einen Wassersprüher für Geschirr, dem automatisch Seife beigemischt wird.
Sind vor allem die Meisterhäuser zur Eröffnung einander zum Verwechseln ähnlich, ändert sich das nach dem Einzug der Meister. Bald spiegeln sich die Persönlichkeiten der Künstler auch in der farblichen Gestaltung der Räume wider. So zum Beispiel im Haus Kandinsky/Klee, dessen zwei Haushälften innen sehr unterschiedliche Wandmalereien aufweisen.
1927
Die Rolle der Malerei wird am Bauhaus immer wieder kontrovers diskutiert und betrachtet. Gropius ernennt herausragende Künstler wie Paul Klee, Wassily Kandinsky und László Moholy-Nagy zu Bauhausmeistern und lässt ihnen bei der künstlerischen Gestaltung des Unterrichts freie Hand. Ein eigenes Lehrfach ist die Malerei aber nicht. Im Zuge der fortschreitenden Funktions- und Technikorientierung in den Werkstätten werden die Stimmen der Künstler wie Paul Klee und Wassily Kandinsky lauter, die schon länger die Einrichtung einer Werkstatt für Malerei fordern. Mit Erfolg: Im Wintersemester 1927/28 werden die freien Malklassen eingerichtet, die erstmal eine rein künstlerische Ausbildung ermöglichen. Klee und Kandinsky leiten den Unterricht und fördern die Bildkunstproduktion.
Auch Lyonel Feininger sieht sich als „freier Künstler“. Er ist der erste in der Reihe namhafter Künstler, die von Gropius als Meister an das Bauhaus berufen werden. Als Leiter der Druckwerkstätten sieht er die Lehre stets als Hilfestellung bei der künstlerischen Selbstfindung. Die Studierenden sollen ihre eigenen Erfahrungen machen und diese künstlerisch verarbeiten. Das bringt ihm viele Sympathien ein. Für die Studierenden ist ihr „Papileo”, wie sie ihn liebevoll nennen, eher ein guter Onkel als ein Lehrer.
Feininger zeigt sich besorgt über die Umgestaltung des Bauhaus zu einer Produktionsanstalt, die „furchtbar und das Ende jeglicher Kunst sei.“ (Brief an Frau Julia Feininger, 9.3.1925). Trotz dieser Bedenken folgt er dem Bauhaus nach Dessau, aber unter der Voraussetzung, dass er sich dort ohne weitere Lehrverpflichtungen ganz seiner Kunst widmen kann. Gropius sagt ihm das zu, von seiner Rolle als Meister am Bauhaus entbindet er ihn dennoch nicht. Feininger unterstützt die Einrichtung der freien Malklasse, ist aber bald unzufrieden mit seiner Tätigkeit am „Baukasten“, wie er das Bauhaus nennt. Bis 1932 gehört er der Hochschule für Gestaltung in Dessau an, danach verlässt er Deutschland und kehrt zurück in seine Geburtsstadt New York.
Im Frühjahr 1927 beruft Gropius den Schweizer Architekten Hannes Meyer an die Hochschule und übergibt ihm die Leitung einer neu gegründeten Bauabteilung. Der gelernte Maurer und Steinmetz soll die Meisterklasse für Architektur übernehmen. Auch wenn Meyer Gropius’ zweite Wahl ist – Mart Stam und Ludwig Mies van der Rohe hatten zuvor für diese Position abgesagt – sind die anderen Bauhausmeister von Meyer begeistert. Er ist ein Macher; ein Praktiker und ein Theoretiker gleichermaßen und jemand, der junge Menschen begeistern kann. Sein Baustil ist geprägt von kubistischer Klarheit und funktional-konstruktiven Details. Seine Baulehre lehnt sich an das Modell der kleinen Kreise des Pädagogen Pestalozzi und den Begriff der Familienzelle an.
Anfangs gestaltet sich ein regelmäßiger Bau- und Architekturunterricht als schwierig. Zum einen fehlen der neu eröffneten Meisterklasse die Studenten. Zum anderen mangelt es an Aufträgen, ohne die die Architekturabteilung in ökonomische Bedrängnis gerät. Obwohl Meyer intensiv die Nähe zur Industrie sucht, wird ausgerechnet das Architekturbüro von Gropius häufiger mit Aufträgen bedacht. Ende 1927 beschwert sich Hannes Meyer, dass die Bauabteilung im Bauhaus „auf dem trockenen sitzt“, während „das Baubüro Gropius stetsfort zu bauen hat“.
Sowohl Gropius als auch Meyer haben eine Neuausrichtung des Bauhaus im Sinn. Besonders die Architektur soll dabei im Mittelpunkt stehen, sowohl in der Lehre als auch in der Werkstättenarbeit. Sehr bald schon aber zeigen sich die Differenzen zwischen Gropius und Meyer auch in anderen Belangen. So kritisiert Meyer, dass viele der Bauhaus-Produkte zu exklusiven Objekten geworden und nur für die wohlhabende Käuferschicht erschwinglich sind. Die ursprüngliche Idee des Bauhaus, nämlich für das Volk zu bauen und zu gestalten, sei davon weit entfernt. Man müsste wieder zu einer Massentauglichkeit der Produkte zurückkehren.
Das moderne Bauen nach dem Vorbild des Bauhaus hält in den 1920-er Jahren in vielen Städten Einzug. So erhält der Architekt Johannes Göderitz in Magdeburg den Auftrag eine Stadthalle zu errichten. Ein „würdevoller Monumentalbau“ soll es werden, anlässlich der Deutschen Theaterausstellung 1927. Göderitz stellt sich der Herausforderung und entwirft ein grandioses Architekturensemble aus Stein, Glas und Eisen, verkleidet mit braun-violetten Klinkern. Er will damit die Bauhaus-typische rationelle Bauweise mit den ästhetischen Bauformen der modernen Zeit verbinden. Die Aufgabe gelingt und das in Rekordzeit: Am 5. Januar 1927 wird der Grundstein für die neue Stadthalle gelegt. Nicht einmal fünf Monate später, am 29. Mai wird sie feierlich eingeweiht. Bis heute ist sie ein wichtiger Veranstaltungsort für die Stadt Magdeburg.
Göderitz ist nicht der erste, der den sogenannten „Neuen Bauwillen“ umsetzt. Bereits 1919 ruft Architekt Bruno Taut zum modernen Bauen auf: „Wir wollen keine farblosen Häuser mehr bauen und [...] wieder mehr Mut zur Farbenfreude am Innern und Äußern des Hauses geben“, schreibt er in der Zeitschrift „Bauwelt“. 1921 wird Taut zum Magdeburger Stadtbaurat berufen. Er holt Göderitz als Mitarbeiter in seinen Arbeitsstab.
Gemeinsam mit Göderitz und dem Oberbürgermeister Hermann Beims entwickelt Taut 1923 einen Generalsiedlungsplan für Magdeburg. Die darin geplanten Wohnräume stehen vergleichbaren Siedlungen in großen Städten wie Berlin oder Frankfurt/Main in nichts nach und stärken Magdeburgs Stellenwert in Mitteldeutschland.
Auch die Hermann-Beims-Siedlung in Magdeburg entstammt dem Generalsiedlungsplan. Sie wird zwischen 1924 und 1932 errichtet. Ihr Namensgeber Beims möchte vor allem, dass „[d]ie neue[n] Wohnung[en] die Ansprüche auf Gesundheit, auf Wohlbefinden, auf Sonne, gesunde Luft, auf gute Kinderspielplätze und Grünanlagen befriedigen.“ Der Begriff sozialer Wohnungsbau ist bis heute eng mit den Namen Beims, Göderitz und Taut verbunden. Letzterer verlässt bereits 1924 Magdeburg. 1927 wird Göderitz sein Nachfolger und Magdeburger Stadtbaurat. Die Beimssiedlung ist bis heute ein Dokument der Gesellschaft und Baukunst der 1920er Jahre.
Einen Eindruck, wie die ersten Mieter ihre neuen Wohnungen in der Hermann-Beims-Siedlung erlebten, vermittelt die historische Musterwohnung. Sie ist von April bis September jeweils Donnerstags von 13 Uhr bis 17 Uhr zu besichtigen – oder nach Vereinbarung.
April 1928
Am 1. April 1928 beruft Walter Gropius Hannes Meyer als neuen Direktor des Bauhaus. Meyer leitet zu der Zeit bereits seit über einem Jahr die Architekturabteilung der Hochschule und wird von den 166 Studierenden und 11 Lehrenden hoch geschätzt. Der neue Direktor bringt frischen Wind in die Struktur der Lehre am Bauhaus, die er effizienter gestalten möchte. Er führt neue Fächer ein und legt den Fokus auf die Architektur im Lehrplan. Die Architekturausbildung wird in der Folge von sieben auf neun Semester verlängert.
Auch die Werkstätten des Bauhaus werden auf Arbeit zu Gunsten der Architektur verpflichtet. Meyer geht es vor allem darum, die Produktion an der Gesellschaft zu orientieren. Er prägt die Formel „Volksbedarf statt Luxusbedarf“, die fortan für alle Werkstätten gilt und die Hinwendung zu standardisierten Massenprodukten beinhaltet. Meyer hat Erfolg: Zwischen 1928 und 1929 steigt die Produktivität des Bauhaus trotz der allgemeinen Wirtschaftskrise an und beschert der Hochschule eine annehmbare finanzielle Lage. Das kommt auch den Studierenden zugute. Auf Bestreben Meyers ist die Bauwerkstatt zu einer genossenschaftlichen Produktivstätte geworden, in der die Studierenden an der Umsetzung von Bauprojekten direkt beteiligt werden.
Auch politisch sieht sich Meyer dem Gedanken der kollektiven Genossenschaft verbunden. Er selbst bezeichnet sich einmal als wissenschaftlicher Marxist. Bereits 1927 bildet sich an der Hochschule eine kommunistische Zelle, die von Meyer während seines Direktorats unterstützt wird. Bald schon werden auf sein Bestreben hin am Bauhaus Vorträge von bekannten Persönlichkeiten unter anderem aus Politik und Wirtschaft über den Marxismus-Leninismus und die Arbeiterbewegung gehalten. Kritisiert wird Meyer dafür von einigen Bauhausmeistern und auch von Gropius. Sie sehen die politische Positionierung des Direktors als hinderlich für die Fortentwicklung der Hochschule. 1930 schließlich wird Hannes Meyer aus politischen Gründen vom Stadtrat der Stadt Dessau gekündigt.
Am 1. April 1928 tritt Walter Gropius offiziell von der Leitung des Bauhaus zurück. Seit insgesamt 9 Jahren ist er zu diesem Zeitpunkt bereits Direktor der Hochschule, erst in Weimar und anschließend in Dessau. Sein letzter großer Bau wird das Arbeitsamt in Dessau, das zwischen 1928 und 1929 von seinem Architekturbüro errichtet wird. Gropius hatte bei der Ausschreibung für den Bau gegen Hugo Häring und Max Taut gewonnen. Architektonisch wird es einer der gelungensten Bauten von Gropius. Besonders auffällig ist der geschickte Grundriss, der Arbeitssuchende direkt in die zuständigen Fachabteilungen leitet.
Nach seinem Fortgang arbeitet Gropius als freier Architekt und Gutachter in Deutschland, England und den USA. Das Bauhaus aber verlässt er gedanklich nie ganz. Bis an sein Lebensende sieht er die Hochschule als sein „geistiges Eigentum“ an. Die Wahrnehmung der Öffentlichkeit bestätigt ihn dabei. Bis heute wird Gropius eng mit Programmatik und Idealen des Bauhaus verbunden.
Dafür sorgte er auch selbst. Der charismatische Gründer der Hochschule ist zeitlebens darauf bedacht, das Bauhaus und seine Verdienste in der Öffentlichkeit zu präsentieren. Diese Selbstwahrnehmung führt auch dazu, dass er die Reihe der Bauhausbücher eigenständig fortführt, selbst als er die Leitung der Hochschule bereits abgegeben hat.
Sein Nachfolger Hannes Meyer sieht das nicht ganz unkritisch, er möchte dem Bauhaus seine eigene Richtung geben. So ist in einer von ihm gestalteten Wanderausstellung zum 10-jährigen Bauhaus-Jubiläum 1929 kein einziges Exponat aus der Gropius-Zeit zu sehen. Walter Gropius hingegen gestaltet in Paris 1930 eine eigene Ausstellung mit Designstücken aus der Bauhausschule. Das Besondere daran: Die Ausstellungstexte sind in der Vergangenheitsform geschrieben. Fast so, als hätte Gropius mit seinem Fortgang auch den Abschluss der Hochschule besiegelt.
Februar 1929
Feste und Feiern sind ein wesentlicher Bestandteil des Lebens am Bauhaus. Sie fördern den Gemeinschaftssinn und „locken“ auch die Bevölkerung an die Hochschule, die das Treiben am Bauhaus sonst eher kritisch betrachtet. „Sag mir, wie du feierst und ich sage dir, wer du bist!“, sagt Oskar Schlemmer einmal und widmet sich in Dessau intensiv den Vorbereitungen für die großen Bauhausfeste, an deren Ausführung fast alle Werkstätten beteiligt sind.
Anlässe zum Feiern gibt es ausreichend: Geburtstage, Hochzeiten, Geburten oder auch die Einbürgerung des Ehepaares Kandinsky (1928). Vielfach haben die Feten ein bestimmtes Motto oder Thema, für das die passende Dekoration und Kostüme vorbereitet werden. Groß gefeiert werden zum Beispiel die alljährlich stattfindenden Laternenfeste, das Sonnenwendefest und das Drachenfest. Der Ruf der Bauhausfeiern eilt ihnen bald voraus und zieht auch aus anderen Städten wie Berlin und Leipzig Gäste an. Legendär sind vor allem die Faschings- und Maskenfeste am Bauhaus.
Das prächtigste Maskenfest ist das Metallische Fest, welches am 9. Februar 1929 gefeiert wird. Ursprünglich Glocken-, Schellen- und Klingelfest genannt ist es wohl auch das lautstärkste. Die Gäste erscheinen teilweise in Metallfolie gehüllt und mit Löffel, Kochtopf oder Bratpfannen bestückt. Nach dem Vorzeigen der metallisch glänzenden Einladungskarten gelangen sie über eine Rutschbahn in den Festsaal, begleitet jeweils von einem Tusch der Bauhauskapelle. Auch prominente Gäste, wie der Dessauer Oberbürgermeister Fritz Hesse rutschen so hinein in das Bauhausfest.
Der Festsaal ist eindrucksvoll dekoriert mit messingfarbenen Obstschalen, Weihnachtskugeln, Läuten und Klingeln. Eine musikalische Treppe lässt beim Betreten ein Glockenspiel ertönen und die reflektierenden Wände spiegeln die Tanzenden. Die Mitglieder der Bauhauskapelle sind festlich kostümiert. Ihre Musik untermalt die gezeigten Bühnenvorführungen. Seinen Höhepunkt findet das Metallische Fest um Mitternacht, als 12 „Ritter“ in Rüstung aufmarschieren.
Nach 1929 nehmen die Feiern am Bauhaus aufgrund der zunehmend angespannten politischen Lage ab. Das letzte große Bauhausfest findet am 18. Februar 1933 statt.
Auf den Bauhausfesten sorgten auch kleine Vorführungen von Paul Klee mit selbst gefertigten Handpuppen für Unterhaltung.
1929
Die Fotografie dient am Bauhaus schon immer als Medium für Experimente. Vor allem László Moholy-Nagy geht mit sogenannten Fotogrammen neue gestalterische Wege, indem indem er Blumen, Federn und Papierschnipsel auf Fotopapier legt, das er dann entwickelt. Für ihn ist die Fotografie wie die Malerei ein eigenes Mittel der Gestaltung, das nicht zwangsläufig die Wirklichkeit wiedergeben muss. Dieses „Neue Sehen“ mit der Kamera fasziniert ihn. Er will die Fotografie gern in die Lehre integrieren.
Vorerst hat er mit seinem Wunsch keinen Erfolg. Lange Zeit wird an der Hochschule vor allem fotografiert, um die Bauhaus-Produkte zu dokumentieren und in Publikationen zu zeigen. Die meisten überlieferten Bilder stammen von Lucia Moholy und Erich Consemüller. Fotografie ist damals ein teurer Zeitvertreib: Neben dem Kauf des Fotoapparates und der Ausrüstung werden Chemikalien und Papier benötigt. Auch mangelt es an Möglichkeiten, die Fotos zu entwickeln. In Weimar werden die Abzüge oft notdürftig in umfunktionierten Badezimmern hergestellt. Erst mit dem Umzug nach Dessau werden 1927 in einigen Meisterhäusern Dunkelkammern eingerichtet.
Im Zuge der Umgestaltung des Lehrplans ruft Hannes Meyer im Frühjahr 1929 Walter Peterhans ans Bauhaus. Er überträgt ihm die Leitung des ersten offiziellen Kurses in Fotografie an der Hochschule. Der 32-jährige Fotograf aus Berlin ist technisch versiert und hat bereits praktische Erfahrungen als Berufsfotograf. Ihm liegt vor allem daran, die Technik sinnvoll einzusetzen, mit Blick auf den wirtschaftlichen Nutzen. Die Fotografie wird Teil der Werkstatt für Druck/Reklame/Ausstellungswesen.
Peterhans ist ein engagierter Lehrer, mit großem Elan und Interesse widmet er sich dem Unterricht. Er vermittelt den Studierenden, vor dem Fotografieren erst zu beobachten, dann zu planen und zuletzt die Kamera einzusetzen. Sein Einfluss ist in den fotografischen Arbeiten seiner SchülerInnen wie Johannes Auerbach, Hajo Rose und Gertrud Arndt klar erkennbar. Walter Peterhans leitet den Kurs für Fotografie bis zur Auflösung des Bauhaus 1933.
1930
Im März 1929 lobt die Stadt Dessau einen Architekturwettbewerb aus. Ein Ausflugslokal direkt an der Elbe soll errichtet werden: Restaurant, Tanzlokal und Stehbierhalle in einem. Der Architekt Carl Fieger nimmt an dem Wettbewerb teil. Fieger ist bereits seit Jahren als Entwurfszeichner im Büro Gropius und auch am Bauhaus tätig. Er ist ein enger Mitarbeiter von Walter Gropius und folgte dem Bauhaus von Weimar nach Dessau. Obwohl er den Architekturwettbewerb nicht gewinnt, erhält er den Zuschlag für den Bau des neuen Ausflugslokals. Fieger hatte den wirtschaftlich günstigsten Entwurf abgeliefert.
Am 6. Juni 1930 eröffnet das „Kornhaus“ in Dessau. Der Name des Gebäudes erinnert an den Vorgängerbau, ein alter Getreidespeicher. Dort wo früher einmal Getreide und Saatgut gelagert wurden, tummeln sich nun Ausflügler und Ausflüglerinnen aus der Region. Das Kornhaus gehört bald auch zum Freizeitprogramm der Bauhäuslerinnen und Bauhäusler, die dort sonntags Kaffee trinken und Abendveranstaltungen besuchen.
Das Gebäude selbst ist der einzige Bauhausbau mit einem Wassergrundstück. Es liegt direkt an der Elbe und bietet eine einzigartige Fernsicht auf Fluss und Umgebung. Die Lage am Wasser erfordert eine bauliche Besonderheit: Um den Höhenunterschied auszugleichen, ist das Haus von der Straßenseite her zweigeschossig, zur Wasserseite hin nur noch eingeschossig. Um das zu realisieren, hat Carl Fieger einen brillanten Einfall. Er konzipiert einen langgestreckten, doppelgeschossigen Quader und lässt ihn zur Wasserseite hin in einen halbrunden Wintergarten auslaufen. Dieser ist verglast und ragt nach vorn über seine Stützen hinaus. Fast scheint es, als ob er schwebt.
Das Dessauer Kornhaus ist ein Bauhaus-typischer Flachdachbau. Es dient auch heute als Restaurant und Veranstaltungsort. Wer sich das Kornhaus in Dessau selbst einmal anschauen möchte, kann das täglich ab 12 Uhr tun. Wechselnde Veranstaltungen laden zum Verweilen ein.
1930 schlägt Walter Gropius Ludwig Mies van der Rohe als neuen Bauhausdirektor vor. Es ist die erste Lehrtätigkeit des angesehenen Architekten aus Aachen. Mit teils autoritären Methoden strukturiert Mies van der Rohe in kurzer Zeit das Institut Bauhaus um: „Ich will keine Marmelade, nicht Werkstatt und Schule, sondern Schule“, sagt er dazu (2016, h.f.ullmann publishing, Bauhaus, Martin Kieren, S. 567) . Er reorganisiert den Lehrplan, schafft den Vorkurs ab und stellt schließlich auch die Produktion der Werkstätten ein. Er macht aus dem Bauhaus eine reine Architekturschule.
Als Architekt gilt Mies van der Rohe als Ausnahmeerscheinung. Für einen Wettbewerb in Berlin entwirft er 1921 eine Hochhausstudie, komplett aus Glas und Stahl. Richtig ernst nimmt er den Wettbewerb nicht – der Bau ist in der Wirtschaftskrise ohnehin nicht umsetzbar. Bemerkenswert ist die Transparenz des Gebäudes, fast so, als würde Licht durch eine Haut (Glas) auf Knochen (Stahl) scheinen. Wie befürchtet, wird das Gebäude nie realisiert, der Ausdruck „Haut und Knochen“-Architektur gilt aber als prägend für Mies van der Rohes Bauten. Er setzt Glas und Licht so raffiniert ein, dass sich die Räume je nach Blickwinkel verändern und mit Bewohnern und Passanten interagieren. Sein Wettbewerbsentwurf „Hochhaus Friedrichstraße” ist Bestandteil der Stiftung Bauhaus Dessau und soll im neuen Bauhaus Museum Dessau seinen Platz finden.
Am Bauhaus ist Mies van der Rohe nur insgesamt drei Jahre tätig. Entgegen seiner Bemühungen beschließt der neu gewählte Stadtrat mit nationalsozialistischer Mehrheit 1932 die Schließung der Hochschule für Gestaltung. Mies van der Rohe versucht eine Fortführung des Bauhaus als Privatinstitut in Berlin, doch vergebens: Im August 1933 gibt der Meisterrat auf seine Anregung die Auflösung des Bauhaus bekannt.
Halle an der Saale ist in den 1920er Jahren eine aufstrebende, moderne Industriemetropole. Überall in der Stadt finden sich Orte des modernen Bauens. Dazu gehört auch die Großgarage Süd. Ihr Architekt, der hallesche Bauunternehmer Walter Tutenberg, errichtet sie 1927/28 mitten im Wohngebiet Halle Süd. Eine moderne Unterstellmöglichkeit für die immer mehr werdenden Autos – die Großgarage Süd ist funktional und architektonisch ihrer Zeit weit voraus. Äußerlich folgt sie dem Stil des Neuen Bauens. Eine Glasfassade und ein Glasdach sorgen dafür, dass der Innenraum taghell ausgeleuchtet ist.
Innen ist alles nach amerikanischen Vorbild gestaltet. Die Großgarage besitzt Aufzüge und Schiebebühnen, sogenannte „Laufkatzen“, die die Autos bis in die vierte Ebene bringen. Es gibt 150 Stellplätze, die mit separaten Metalljalousien zu verschließen sind. Die Garage bietet mit 28 Angestellten einen Rundumservice. Dazu gehören Aufenthalts- und Schlafräume für Chauffeure, eine Autowerkstatt, eine „Wagenreinigungsanstalt“, Geschäfte für Autozubehör, eine Tankstelle, ein Kurier- und Lotsendienst und sogar ein amerikanischer Frisiersalon. Die Großgarage Süd zählt zu den ältesten Parkhäusern Deutschlands. Das Aufzugssystem ist mittlerweile durch einen Anbau mit Spiralrampe ersetzt worden, von den ursprünglich 150 Parkboxen dienen noch 88 als Parkplätze.
In Halle entstehen in den 1920er Jahren viele weitere Zeichen der Moderne. Gefördert wird das auch durch Halles Stadtbaurat Wilhelm Jost. Beim Bau einer neuen Kirche für die Stadt unterstützt er den Entwurf des Architekten Ulrich Wilhelm, der einen einzigartigen Sakralbau plant. 1929/30 wird die katholische Pfarrkirche „Zur Heiligsten Dreieinigkeit“ errichtet. Ganz entgegen der Bautraditionen fehlen der neuen Franziskanerkirche sowohl Langhaus als auch Kirchturm. Auf dem sechseckigen Grundriss stehen sechs Stahlbetonsäulen, die den kuppelartigen Mittelaufbau, Teile der Deckenkonstruktion und die Glockenstube tragen. Statt Bögen und Stützen gliedert sich der Innenraum durch unterschiedliche Höhen und Flächen. Ein expressionistische Farbgebung im Innenraum setzt einen Kontrast zur sachlichen Raumaufteilung. Die Pfarrkirche zählt zu den Hauptwerken moderner Architektur im mitteldeutschen Raum.
Zu Beginn des 19. Jahrhunderts zieht es viele Menschen aufgrund der Industrialisierung in die Städte. Geeigneter Wohnraum wird schnell knapp und die Wohnverhältnisse sind schwierig. In England entwickelt sich eine städtebauliche Strömung, die das Leben von Stadt und Land aneinander angleichen will. Die Gartenstadtbewegung trifft auch in Deutschland einen Nerv. 1909 gründet ein kleiner Kreis von 19 Mitarbeitern der Krupp-Grusonwerke in Magdeburg die „Gartenstadt-Kolonie Reform“. Sie wollen sozialen Wohnraum im Grünen und damit eine Alternative zur Mietskaserne erschaffen.
1911 wird mit dem ersten Bauabschnitt begonnen. Die Gebäude liegen an der Nord-Südachse, eine Anordnung, die prägend für die weitere Siedlungsplanung ist. Die Grundrisse sind kleinteilig, aber rational. Den Mietern stehen Ställe für die Kleintierhaltung und Nutzgärten zur Eigenversorgung zur Verfügung. Bereits im März 1912 ziehen die ersten Bewohner ein: Werksmitarbeiter Johann Michalke mit seiner Familie. 1913 übernimmt der schon bekannte Architekt Bruno Taut die Planung und schließt bis 1915 den Bau des inneren Siedlungskernes ab.
Es folgen weitere Bauphasen; bis 1930 sind es insgesamt fünf. In der letzten Phase bekommt die Gartenstadt-Kolonie Reform durch den Bau von Flachdach-Reihenhäusern ein großstädtisches Aussehen. Auch eine Wasch- und Badeanstalt mit angebautem Geschäftshaus wird errichtet.
Besondere Bedeutung während der Bauausführung hat Architekt Carl Krayl, der von Bruno Taut beauftragt wird. Krayl ist inspiriert von Farbe und setzt sie bewusst als architektonisches Mittel ein. Die dominierenden Farben sind Gelb oder Ocker, Rot und Blau. Je nach Bauphase werden die Farben in unterschiedlicher Intensität verwendet. Beispielhaft sehen kann man das heute zum Beispiel an den Türen: Die unterschiedliche Farbgestaltung sorgt für Kontraste von teils nebeneinander liegenden Türen. In das Haus am Bunten Weg 3 zieht Carl Krayl selbst ein. Der Architekt gestaltet die Innenräume und fertigt auch das Mobiliar an.
Bereits seit 1987 steht das Wohngebiet Gartenstadt Reform unter Denkmalschutz. Die Fassaden wurden denkmalgerecht saniert und sind heute noch immer in fast ursprünglicher Form erlebbar.
Der Fotobestand des Magdeburger Hochbauamts wird im Stadtarchiv Magdeburg verwahrt. Ein Digitalisierungsprojekt veröffentlicht ausgewählte Teile in einer Onlineausstellung und zeigt die umfangreichste Sammlung zum Thema Magdeburger Moderne.
Mit dem Fahrrad die vielfältige Architektur der Moderne erleben? Die Fahrrad-Architektour „Das bunte Magdeburg 100 Jahre Bauhaus 2019“ macht es möglich.
Bereits 1923 beginnen Walter Gropius und László Moholy-Nagy mit der Planung einer Buchreihe am Bauhaus. Inhaltlich soll sie sich mit den Problemen des Lebens beschäftigen und künstlerische, wissenschaftliche und technische Fragen behandeln. Die Bücher sollen das Bauhaus, seine Methodik und Arbeit vorstellen und nach Außen präsentieren.
Geplant sind insgesamt 31 Bände. Erscheinen sollen die Bauhaus-Bücher 1923 im frisch gegründeten Bauhausverlag. Durch die Insolvenz des Verlages und den Umzug der Hochschule nach Dessau kommt es allerdings zu zeitlichen Verzögerungen. 1925 werden die ersten acht Bände durch den Albert Langen Verlag in München veröffentlicht. Ihnen folgen weitere Bände in den Jahren bis 1930. Zu den namhaften Autoren gehören neben Gropius selbst auch Paul Klee, Wassily Kandinsky, Oskar Schlemmer und Piet Mondrian.
1930 erscheint das letzte von insgesamt 14 Bauhausbüchern. Der Band mit der Nummer 12 trägt den Titel „bauhausbauten dessau“ und ist von Walter Gropius geschrieben. Der frühere Bauhausdirektor will damit „einen bericht über [seine] eigene arbeit als architekt und bauorganisator während [seiner] dessauer baujahre geben.“ (aus: Vorwort „bauhausbauten dessau“, Walter Gropius, 1930, S. 11). Die konsequente Kleinschreibung im gesamten Buch ist eine revolutionäre Neuerung in der Typografie, die Gropius und auch andere Bauhäusler gern einsetzen und die nicht für wenig Aufregung sorgt.
Gropius beschreibt darin alle durch ihn geplanten Bauten in Dessau: die Meisterhäuser, die Siedlung Dessau-Törten mit dem Konsumgebäude, das Arbeitsamt und das Schulgebäude selbst. Begleitet werden die detaillierten Informationen von insgesamt 203 Abbildungen. Das letzte Bauhausbuch ist das teuerste der Reihe: Es kostet 15 Mark, in Leinen gebunden gar 18 Mark.
Auch wenn von den ursprünglich 31 geplanten Bauhaus-Büchern lediglich 14 veröffentlicht werden, sind sie eine anschauliche Sammlung der unterschiedlichen Ideen, Methodiken und Lehren der Hochschule für Gestaltung.
Einige der Bauhaus-Bücher wurden von der Bibliothéque Kandinsky eingescannt. Auf Monoskop.org kann man diese online einsehen.
1931
Das Jahr 1931 bringt für Dessau einen politischen Umschwung. Aus den Kommunalwahlen am 25. Oktober gehen die Nationalsozialisten als Sieger hervor. Sie gewinnen 15 von insgesamt 36 Sitzen und werden die stärkste Fraktion im Dessauer Stadtparlament. Ein politischer Wandel, der auch das Bauhaus beeinflussen wird. In ihrem Flugblatt zu den Wahlen hatte die NSDAP bereits ihre Pläne angekündigt: „Sofortige Streichung sämtlicher Ausgaben für das Bauhaus. Ausländische Lehrkräfte sind fristlos zu kündigen [...] Der Abbruch des Bauhauses ist sofort in die Wege zu leiten.“
In der Folge bekommt die Hochschule für Gestaltung keine staatlichen Zuwendungen mehr. Viele Firmen stellen unter dem wachsenden politischen Druck die Zusammenarbeit ein. Am 22. August 1932 wird auf Antrag der NSDAP-Fraktion die offizielle Schließung des Bauhaus in Dessau beschlossen. Den 20 Ja-Stimmen standen lediglich 5 Stimmen der KPD und die des Oberbürgermeisters Hesse entgegen. Die SPD enthielt sich.
Bauhausdirektor Mies van der Rohe versucht das Bauhaus zu retten. Im Oktober 1932 verlagert er die Lehranstalt nach Berlin und öffnet sie dort als „Freies Lehr- und Forschungsinstitut“. Dafür wird eine alte Telefonfabrik angemietet und für den Schulbetrieb umgebaut. Im beginnenden Wintersemester hat das Privatinstitut 114 Studierende, zu den Lehrenden gehören unter anderem noch Wassily Kandinsky, Josef Albers und Walter Peterhans. Die Zeit in Berlin wird für das Bauhaus kurz und dramatisch. Ein ordentlicher Lehrbetrieb ist kaum mehr möglich. Der letzte Wirkungsort der legendären Hochschule für Gestaltung wird die Birkbuschstraße 49 in Berlin-Lankwitz.
April 1933
Am 11. April 1933 wird das beginnende Sommersemester am Bauhaus Institut in Berlin abrupt unterbrochen. Die Gestapo steht unangekündigt vor der Tür, das Haus wird polizeilich durchsucht. In Kisten wird belastendes Material gefunden, dass das Bauhaus als „Keimzelle des Bolschewismus“ darstellt. 32 Studierende werden vorübergehend festgenommen. Das Gebäude wird versiegelt, ein Zahlungsstopp für die Lehrer verhängt und der Mietvertrag aufgelöst. Das Bauhaus steht auch in Berlin vor dem Aus.
Die Durchsuchung ist für die Presse inszeniert. Bis heute gelten die Umstände als nebulös. Vermutet wird, dass dadurch Fritz Hesse, Dessaus liberaler Bürgermeister und Unterstützer des Bauhaus belastet werden soll. Die NSDAP nutzt den Fund des „kommunistischen“ Materials und stellt für eine mögliche Wiedereröffnung des Bauhaus politische Bedingungen. Zum einen sollen Lehrkräfte wie Wassily Kandinsky und Ludwig Hilberseimer durch andere ersetzt werden. Zum anderen soll ein neuer Lehrplan erstellt werden, der den „Ansprüchen des neuen Staates genügt“.
Unter diesen Bedingungen beschließt der Meisterrat unter Mies van der Rohe am 20. Juli 1933 die endgültige Auflösung des Bauhaus in Berlin.
Die Hochschule für Gestaltung blickt zu dem Zeitpunkt auf eine 14-jährige Geschichte zurück.Ihr Einfluss ist damit noch längst nicht beendet. Viele Bauhaus-Meister und Studierende emigrieren in den folgenden Jahren; zum Beispiel in die USA (Walter Gropius, Mies van der Rohe, Josef Albers), Frankreich (Wassily Kandinsky), Großbritannien (Marcel Breuer) oder auch Russland (Mart Stam). Die Bauhausidee nehmen sie dabei mit und verbreiten sie so in der ganzen Welt.
In den Jahren nach 1933 wurden viele Werke der Bauhaus-Meister als „entartet“ beschlagnahmt.
1934–1941
Die Bauhausmoderne und der Nationalsozialismus sind nur ein scheinbarer Widerspruch. Viele Jahre wird das Bauhaus von den Nationalsozialisten zwar als gefährliche „undeutsche“ Geißel bezeichnet. Unter dem Vorwurf des „kulturellen Bolschewismus“ wird es 1933 geschlossen. Dennoch stehen die Nazis der Moderne offen gegenüber: Vor allem in der Architektur und wenn es ihren Zwecken genügt. Für die Ausstellung „Deutsches Volk–Deutsche Arbeit“ 1934 reichen Walter Gropius, Mies van der Rohe und Joost Schmidt Entwürfe ein – mit Hakenkreuzen auf den Unterlagen.
1935 entwirft Mies van der Rohe für die Nationalsozialisten den Pavillon für die Weltausstellung in Brüssel; 1937 für die in Paris. Die Geschichte des Bauhaus ist mit seiner Schließung 1933 also keineswegs vorbei. Viele Schüler von Gropius und Mies van der Rohe sind unter den Nationalsozialisten erfolgreich, unter ihnen Ernst Neufert und Eduard Ludwig. An vielen Stellen zeigt die Architektur des Nationalsozialismus Spuren der Bauhaus-Moderne, insbesondere bei nicht repräsentativen Bauten.
Auch als im Oktober 1941 die Erweiterung des Konzentrationslagers Auschwitz geplant wird, ist ein Bauhäusler dabei: Fritz Ertl. Der Österreicher und ehemalige Schüler von Wassily Kandinsky ist maßgeblich an der baulichen Gestaltung des neuen Lagerkomplexes Birkenau beteiligt. Er entwirft Verwaltungstrakte, Häftlingsbaracken und Gaskammern mit Ein- und Ausgängen. Architektonisch zeugt vor allem das Unterkunftsgebäude von Skrupellosigkeit: Ursprünglich sind darin Ställe für 52 Pferde geplant.
Nun vegetieren in dem Haus 750 Menschen. Das KZ Auschwitz-Birkenau ist das größte Vernichtungslager Deutschlands. Über eine Million Menschen werden hier zwischen 1941 und 1945 ermordet. 1972 wird Fritz Ertl mit einem weiteren Auschwitz-Architekten in Wien angeklagt. Er wird freigesprochen. Ertl selbst gibt während des Prozesses an, die SS-Taten hätten ihn verstört. Seine Position als SS-Untersturmführer zeichnet ein anderes Bild.
Eine dreiteilige Serie der Deutschen Welle (DW) arbeitet die auch kontroverse Geschichte des Bauhaus aus vielen Blickpunkten auf.
1930er und 1940er Jahre
Praktisch, formschön, schnörkellos: Diese Merkmale sind heute fest mit dem Bauhausstil verbunden. Im historischen Bauhaus allerdings steht die Vermittlung eines einheitlichen Stils, vor allem in der Architektur, gar nicht auf dem Lehrplan. Den drei Bauhausdirektoren geht es vor allem um gestalterische Aspekte: moderne weiße Häuser bei Walter Gropius, funktionalistische Bauformen bei Hannes Meyer und die Glas-und-Knochenstruktur bei Mies van der Rohe. Sehr unterschiedlich und dennoch: Als 1932 in New York eine große Ausstellung zum Bauhaus stattfindet, wird ein einheitlicher „Bauhausstil“ international anerkannt und etabliert.
Das Bauhaus trifft einen Nerv der Zeit: Überall in Europa entwickeln sich in den 1920er und 1930er Jahren moderne Strömungen in der Architektur. Auch weltweit ist das Interesse am „Neuen Bauen“ mit seinen einfachen kubischen Formen und der schnörkellosen Bauweise groß. 1932 prägen die beiden Amerikaner Philip C. Johnson und Henry-Russell Hitchcock den Begriff International Style. Er gilt fortan als Oberbegriff für die Strömungen der modernen europäischen Architektur, darunter auch des Bauhaus-Stils. Johnson und Hitchcock gehen davon aus, dass die neue Architektur nicht ortsgebunden, sondern vielmehr internationalisiert ist. Etwas, das sich vor allem nach Schließung des Bauhaus 1933 zeigt. Zum Beispiel in der Weißen Stadt in Tel Aviv.
Über 4000 Gebäude entstehen in den 1930er und 1940er Jahren in der heute zweitgrößten Stadt Israels. Entworfen werden sie von geflüchteten jüdischen Bauhäuslern, wie zum Beispiel Munio Gitai Weinraub und Edgar Hed (Hecht) und anderen modernen Architekten. Inmitten einer begrünten Stadtanlage entstehen hier funktionale und an den Bedürfnissen der Bewohner ausgerichtete Häuser. Sie sind weiß gekalkt und haben geschwungene Fassaden. Die Gebäude sind an das heiße Klima Israels angepasst: Sie stehen auf Pfeilern um die Belüftung zu verbessern, haben teilweise Lichtleisten anstatt Fensterfronten und schattenspendende Balkone. In der Gestaltung zeigen sich Elemente des Bauhaus- und anderer moderner Baustile. Seit 2003 ist die weiße Stadt in Tel Aviv UNESCO Weltkulturerbe.
Die Ausstellung „Transferumbau Weiße Stadt“ zeigt die Architektur der Moderne in Tel Aviv. Im Mittelpunkt steht das White City Center, das erst kürzlich (19.9.2019) im ehemaligen Max-Liebling-Haus eröffnet wurde. Saniert wurde das Gebäude in der Weißen Stadt in Kooperation mit Deutschland. Ab dem 4. Oktober ist die Ausstellung dann zur Triennale der Moderne in Dessau zu sehen.
Nach 1945
Walter Gropius und Hannes Meyer: Sie beide haben das Bauhaus maßgeblich geprägt. Unser Storytelling wirft heute noch einmal einen Blick auf ihre Geschichte nach dem Fortgang von der Hochschule. Was wurde aus Gropius und Meyer?
Walter Gropius zieht es nach Schließung des Bauhaus 1934 zuerst nach England. Sein Ruf als Architekt und Pädagoge eilt ihm international voraus. Er verbringt dort zweieinhalb Jahre und eignet sich auch die englische Sprache an. 1937 wird er als Professor für Architektur an die Graduate School of Design der Harvard University berufen. Gemeinsam mit Ehefrau Ise beschließt er, in die USA überzusiedeln. Er hat dort schnell beruflichen Erfolg: 1938 übernimmt er die Leitung der Architekturabteilung der Graduate School of Design. Im selben Jahr organisiert Gropius die Ausstellung „Bauhaus 1919–1928“ in New York. 1944 erhält er die amerikanische Staatsbürgerschaft.
Mit Deutschland und „seinem“ Bauhaus bleibt er zeitlebens verbunden. Besonders in seinen letzten Lebensjahren zieht es ihn häufiger nach Berlin. 1964/65 fertigt er einen Entwurf für ein Bauhaus-Archiv in Darmstadt an, der so nie realisiert wird. Erst nach seinem Tod werden die Pläne zwischen 1976 und 1979 in abgewandelter Form in Berlin umgesetzt. Gropius stirbt 1969 in Boston.
Auch Hannes Meyer emigriert in das Ausland. Seine Sympathie für die Aufbauarbeit in der UdSSR führt ihn schon im Jahr seiner Entlassung am Bauhaus 1930 in die Sowjetunion. Dort lebt und arbeitet er fünf Jahre und lehrt unter anderem an der Hochschule für Architektur in Moskau.
1936 kehrt er in seine Heimat, die Schweiz zurück. Er realisiert dort einen Kindergarten, bleibt aber ansonsten ohne Bauauftrag. 1939 folgt er dem Ruf der mexikanischen Regierung und wird Direktor des neu gegründeten Instituts für Stadtbau und Planung in Mexiko-Stadt. Bis 1948 lebt er als Dozent, Städteplaner und Architekt in Mexiko. 1949 kehrt er aufgrund politischer Differenzen mit den mexikanischen Behörden endgültig in die Schweiz zurück. Die letzten Jahre widmet er sich theoretischen Studien. Hannes Meyer stirbt 1954.
Grand Tour der Moderne
Die Grand Tour der Moderne ist ein Projekt der Bauhaus Kooperation, eines Zusammenschlusses der drei sammlungsführenden Bauhaus-Institutionen in Berlin, Dessau und Weimar. Das Projekt zeigt, welche Spuren das Bauhaus und die Moderne in Deutschland hinterlassen haben und immer noch hinterlassen. Eine Übersicht über diese Orte, die das Verständnis von Leben, Arbeiten und Wohnen nachhaltig geprägt haben, findet sich auf der Webseite www.grandtourdermoderne.de. Mit 17 gelisteten Orten nimmt Sachsen-Anhalt auf dieser Route eine bedeutende Rolle ein. Zwei besondere Attraktionen werden im Folgenden vorgestellt:
Das Umweltbundesamt in Dessau-Roßlau (2005): Der Neubau der zentralen Umweltbehörde soll besondere Anforderungen erfüllen. Er soll eine technische und ästhetische Reaktion auf den Klimawandel sein und gleichzeitig die urbane Entwicklung der Stadt Dessau stärken. Den Zuschlag erhielt der Entwurf des Architekturbüros Sauerbruch Hutton aus Berlin. Zwischen 2001 und 2005 wurde der neue Verwaltungsbau errichtet.
Das Gebäude hat ökologisch und optisch einiges zu bieten. Der viergeschossige Hauptbau beschreibt eine Schleife, die einen Innenhof umfasst. Dort sorgen Wasserbecken und Pflanzen für eine angenehme Atmosphäre. Durch das komplex gefaltete Glasdach des Atriums fällt natürliches Licht in die Büros. Die Außenfassaden sind durch den Kontrast von Holzlamellen und farbigen Glaselementen geprägt. Der konsequente Einsatz erneuerbarer Energien 9 unterstützt den klimafreundlichen Entwurf der Architekten. Das Umweltbundesamt befindet sich am Wörlitzer Platz 1 in Dessau.
Die Gartenstadt Piesteritz (1919): Die Siedlung im Vorort der Lutherstadt Wittenberg wurde zwischen 1916 und 1919 für die ungefähr 2.000 Beschäftigten der örtlichen Stickstoffwerke errichtet. Die Werkssiedlung entstand nach den Entwürfen des Schweizer Architekten Otto Rudolf Salvisberg. Er wollte ein ausgeglichenes Verhältnis von Arbeiten, Wohnen und Erholung ermöglichen. Die Siedlung besteht aus 363 Reihen- und Einfamilienhäusern. Alle Wohnungen sind mit eigener Toilette, Badewanne und eigenem Gemüsegarten ausgestattet. Das Miteinander der Bewohner steht im Mittelpunkt: Es gibt gemeinschaftlich genutzte Plätze, Grünflächen, öffentliche Gebäude und einen Marktplatz. Gebaut wurde mit traditionellen Materialien und in einem einfachen Baustil. Im Zuge der Expo 2000 wurde Piesteritz originalgetreu saniert und zur ersten autofreien Siedlung in Deutschland.